Wer den öffentlichen Teil der Ausschuss- und Gemeinderatssitzungen in den letzten Wochen verfolgt, der ist meist früher zuhause als gedacht. Aufgrund der Haushaltssituation sind die Sitzungen ausgedünnt – Tagesordnungspunkte gibt es nur wenige, denn Projekte kosten eben Geld. Haushaltsstrukturkommissionen arbeiten an den Einzelpunkten im Hintergrund, das große Ganze dürfen wir aber nicht aus den Augen verlieren: Ohne eine florierende Wirtschaft, die entsprechende Steuern zahlt, wird weiter wenig los sein. Bei allen Sparvorschläge geht dies oft unter. Deswegen werden wir in den kommenden Monaten konkrete Vorschläge vorlegen, Bürokratie abzubauen und den Standort Heidelberg attraktiver zu machen. Tim Nusser
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Pressemeldung vom 10.11.25
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Dürr gab der Tageszeitung „taz“ (Montagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Cem-Odos Güler und Anna Lehmann.
Frage: Vor einem Jahr erklärte Olaf Scholz die Ampel für beendet. Die FDP hatte aktiv darauf hingearbeitet. Hat es sich gelohnt, Herr Dürr?
Dürr: Rückblickend war es richtig, damals nicht auf die Erpressung des Bundeskanzlers einzugehen. Zu sagen: Wir machen keine Reformen und versuchen, mit lauter neuen Schulden die Koalition zu retten, wäre für die FDP kein Weg gewesen. Insofern war es richtig, damals Nein zu sagen.
Frage: Sie und Ihre Partei sind jetzt seit acht Monaten nicht mehr im Bundestag vertreten. Was macht das mit Ihnen?
Dürr: Man muss nüchtern feststellen, dass sich diese neue Koalition im Prinzip genauso verhält wie die Ampel in ihrer Endphase. Wir selbst haben unsere Fehler analysiert und uns hinterfragt.
Frage: War es also unklug, gezielt auf den D-Day hinzuarbeiten?
Dürr: Das Papier, auf das Sie sich beziehen, hat keine Rolle gespielt. Wenn eine Koalition scheitert, ist keiner frei von Schuld.
Frage: Was bleibt denn von der Ampel außer dem Deutschlandticket?
Dürr: Also … Zumindest ist es uns gelungen, steuerliche Entlastungen hinzubekommen, gerade für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Und das Sondervermögen für die Bundeswehr bleibt, da hat die Regierung nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs richtig reagiert.
Frage: Wir hätten gedacht, Sie nennen auch die doppelte Staatsbürgerschaft oder das Selbstbestimmungsrecht. Sind das Dinge, zu denen Sie nicht mehr stehen?
Dürr: Aber das reicht doch nicht aus, um das Land nach vorn zu bringen. Sonst wäre die Regierung nicht abgewählt worden.
Frage: Sie hatten am Anfang der Ampel Olaf Scholz gelobt, er habe „Drive“ und würde was voranbringen. Wann hat sich diese Bewunderung ins Gegenteil verkehrt?
Dürr: Das war keine Bewunderung. Aber die SPD hat zu schnell der Mut zu Reformen verlassen. Leider muss man feststellen, dass das jetzt auch bei der CDU der Fall ist.
Frage: Wann hatten Sie denn das letzte Mal Kontakt zu Scholz?
Dürr: Als ich ihn nach der Bundestagswahl im Bundestag gesehen habe.
Frage: Sie haben keinen Kontakt mehr?
Dürr: Mein Hauptfokus ist die Neuaufstellung der FDP. Es ist nicht die Zeit für nostalgische Kränzchen.
Frage: Auch nicht mit Christian Lindner?
Dürr: Wir sprechen immer mal wieder miteinander und haben ein gutes Verhältnis. Aber ich habe das große Glück, dass ich anders als andere Parteivorsitzende keine Vorgänger habe, die mir öffentlich gute Ratschläge geben.
Frage: Sind Sie froh, jetzt nicht mit der Union regieren müssen, die haufenweise neue Schulden macht?
Dürr: Ich bin immer bereit, Verantwortung zu übernehmen. Aber mit uns hätte es diese Schulden nicht gegeben. Eine Politik, die immer nur darauf setzt, dass der Staat seine Ausgaben steigert, bringt uns nicht voran. Deutschland ist nicht führend bei der Digitalisierung, bei neuen Technologien oder beim Klimaschutz. Diese Art der linken Wirtschaftspolitik ist in Deutschland krachend gescheitert. Und die Union beweist gerade, dass sie in Wahrheit wirtschaftspolitisch komplett links von uns steht.
Frage: Der Großteil der 500 Milliarden Euro für Infrastruktur und Klimaschutz wird erst noch verplant und verbaut. Sind Sie nicht etwas voreilig in Ihrer Kritik, das ganze Geld brächte nichts?
Dürr: Es wird nur ein Teil Investitionen in der Infrastruktur ankommen. Denn jetzt werden auch Investitionsausgaben im Bundeshaushalt zurückgeschraubt, etwa für die Bahn. Da wird einfach nur Geld verschoben, damit man zusätzliches Geld für neue Subventionen hat.
Frage: Zum Beispiel für subventionierten Agrardiesel. Die Koalition hat die Rückerstattung für Landwirte wieder eingeführt. Schlimm?
Dürr: Es ist auf jeden Fall falsch, Landwirten einfach immer nur was wegzunehmen.
Frage: Aha. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass wieder mehr Wähler:innen an die FDP glauben?
Dürr: Ich glaube, wir müssen mehr Risiko wagen. Wir müssen bereit sein, mehr Dinge zuzulassen. Wenn man so eine Art Vollkaskostaatsmentalität an den Tag legt, habe ich die große Sorge, dass unser Land Zukunft verpasst. Ich bin davon überzeugt, dass viele Menschen sehr wohl für Veränderungen bereit sind. Wir erarbeiten gerade ein neues Grundsatzprogramm, das im nächsten Jahr beschlossen werden soll.
Frage: Sie wollen sich an die radikale Mitte wenden. Wer oder was soll das sein?
Dürr: Wir sind eine Partei der Mitte, aber ich will nicht Teil der Konsenssoße und des Status quo sein. Die FDP muss sich davon abheben. Wir haben die Extremisten links und rechts. Es muss ein drittes Angebot aus der Mitte geben, mit mutigen Reformvorschlägen für die sozialen Sicherungssysteme und in der Bildungspolitik. Aber auch beim Thema Migration.
Frage: Was schwebt Ihnen da vor?
Dürr: Es dürfen keine Menschen mehr durch Schlepperkriminalität ins Land kommen, wo sie teilweise auf den Routen sogar ihr Leben lassen. Andererseits warten Menschen nicht selten zwei Jahre auf ein Arbeitsvisum. Arbeitgeber verzweifeln, weil sie die Arbeitskräfte nicht ins Land bekommen und an der Grenze dauert es zwei Sekunden, um als Asylbewerber oder Flüchtling anzukommen. Wir müssen unser Einwanderungssystem komplett auf den Arbeitsmarkt statt auf das Asylsystem ausrichten.
Frage: Wollen Sie das Grundrecht auf Asyl abschaffen?
Dürr: Nein, denn echte Asylfälle machen nur 0,7 Prozent der Schutzgesuche aus.
Frage: Also wollen Sie die europäischen Vereinbarungen zum subsidiären Schutz abschaffen?
Dürr: Wir müssen hinterfragen, ob der subsidiäre Schutz noch funktioniert. Wir sollten über Flüchtlingskontingente sprechen für Menschen, die tatsächlich in akuter Gefahr sind. Es wäre doch viel sinnvoller, Menschen, die wirklich schutzbedürftig sind, aus einem Konfliktgebiet über Kontingente direkt ins Land zu bringen, als dass man sie kriminellen Schleppern überlässt und sie unterwegs Lebensgefahr aussetzt.
Frage: Migration sehen Sie also als großes Thema. Was noch?
Dürr: Mein Ansatz ist, aus der Sicht der Menschen zu denken. Die meisten sagen, sie haben Probleme mit den Lebenshaltungskosten und können sich immer weniger von ihrem Lohn leisten. Linke Politik würde nur sagen, lasst uns die Preise regulieren. Ich glaube, das führt in die Irre.
Frage: Und Sie sehen die gestiegenen Lebenshaltungskosten, die Immobilien- und Grundstückspreise nicht als Problem, sondern sagen: Der Markt regelt das?
Dürr: Das Problem ist doch, dass der Staat jungen Menschen teilweise fast die Hälfte von ihrem Lohn wegnimmt. Ich bin dagegen, dass der Staat die Preise festlegt. Das wäre auch das Gegenteil der DNA der FDP. Aber nehmen wir es hin, dass gerade junge Menschen in den kommenden Jahren immer höhere Sozialversicherungsbeiträge zahlen und sich immer weniger leisten können? Da sind wir doch bei den Lebenshaltungskosten.
Frage: Was schlagen Sie vor, um diese zu senken?
Dürr: Wir sind eine alternde Gesellschaft, deshalb brauchen wir die Einwanderung in den Arbeitsmarkt. Das zweite ist: Menschen müssen wieder die Möglichkeit haben, sich ein Vermögen aufzubauen. Dieses Versprechen ist in Deutschland gebrochen. Dazu gehört Kapitaldeckung in den sozialen Sicherungssystemen. Für die Rente hatten wir das vorgeschlagen mit der Aktienrente. Ich würde das gerne ausweiten auf die Kranken- und Pflegeversicherung.
Frage: Das heißt, die Leute zahlen Gesundheit und Pflege künftig mehr privat aus eigener Tasche.
Dürr: Linke Politik befindet es als gut, wenn Menschen in ein soziales Sicherungssystem einzahlen, aus dem sie am Ende wenig rausbekommen. Ich bin der Überzeugung, dass es gut ist, wenn Millionen von Menschen, insbesondere Menschen mit geringem Einkommen, das gleiche Geld am Kapitalmarkt anlegen und dort sparen.
Frage: Wären Sie dafür, dass Erb*innen großer Vermögen etwas mehr abgeben zum Wohle der Hälfte der Bevölkerung, die keines hat? Bei Unternehmensvermögen gibt es Ausnahmen, die dafür sorgen, dass Millionenbeträge leistungslos weitergegeben werden können.
Dürr: Eine Erbschaftssteuer, die mit einem Satz von beispielsweise 30 Prozent das Unternehmen belasten würde, würde bedeuten, dass 30 Prozent eines Unternehmens veräußert oder weggeschnitten werden müssten. Das kann niemand wollen.
Frage: Sie sind also dagegen, Privilegien abzuschaffen, die erlauben, dass Vermögen steuerfrei verschenkt oder in Stiftungen versteckt werden kann?
Dürr: Ihre Frage unterstellt, dass das möglich sei. Ich behaupte, dass eine hohe Erbschaftssteuer für Unternehmen nicht möglich ist, ohne dass Arbeitsplätze verloren gehen.
Frage: Also keine Reform der Erbschaftssteuer mit der FDP.
Dürr: Ich würde sogar noch weiter gehen: Ich bin gegen eine Erhebung von Erbschaftssteuer, wenn sie Vermögen betrifft, an denen Arbeitsplätze hängen. Familienunternehmen, die von der einen an die nächste Generation weitergegeben werden, sind unser letzter Wettbewerbsvorteil in Deutschland.
Frage: Verengen Sie den Liberalismus in der FDP nicht zu sehr auf Marktradikalität? Gibt es nicht darüber hinaus eine größere Erzählung von Freiheit?
Dürr: Sie machen einen Widerspruch aus, den ich nicht sehe. Die Freiheit des Einzelnen und wirtschaftliche Freiheit gehören unmittelbar zusammen. Das ist ein Grund, warum die FDP glasklar gegen Chatkontrolle ist. Das unterscheidet uns von der Union. Für uns steht der Einzelne im Vordergrund. Das gilt auch bei der Überwachung.
Frage: Die Frage zielte darauf ab, warum es die FDP nicht schafft, eine liberale Gegenerzählung zum um sich greifenden Autoritarismus zu liefern.
Dürr:: Ich will die FDP genau in diese Richtung erneuern. Der Grund, warum die Extremisten Zustimmung finden, ist nicht, weil die Leute deren Thesen teilen, sondern weil sie bitter enttäuscht sind von den anderen Parteien.
Frage: Auch von Ihrer.
Dürr: Der Unterschied ist, dass die FDP keine moralischen Fensterreden hält, sondern sehr konkrete Änderungsvorschläge macht.
Frage: Würden Sie für uns noch diesen Satz ergänzen: Ein Bundestag ohne die FDP ist wie …
Dürr: … eine liberale Demokratie ohne Liberale. Und das funktioniert nicht.
Frage: Funktioniert doch aktuell.
Dürr: Da widerspreche ich.
Pressemeldung vom 6.11.25
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Dürr gab der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ folgendes Interview. Die Fragen stellten Lisa Caspari und Ferdinand Otto.
Frage: Herr Dürr, heute vor genau einem Jahr zerbrach die Ampel. SPD, Grüne und FDP hatten sich heillos zerstritten, bei einem Treffen im Kanzleramt sollte ein letztes Mal versucht werden, die Koalition zu retten. Wann war Ihnen klar: Es ist aus, es ist vorbei?
Dürr: Endgültig klar war es mir an diesem Abend des 6. November. Wir hatten noch Signale bekommen, dass SPD und Grüne eventuell doch bereit wären, etwas in der Wirtschaftspolitik zu verändern. Doch dann hat der Kanzler von uns eiskalt verlangt, die Schuldenbremse zu brechen. Wir haben uns beraten: Das geht nicht mehr.
Frage: Sind Sie überhaupt mit dem Willen reingegangen, sich zu einigen?
Dürr: Ganz klar: ja.
Frage: Nach Recherchen der ZEIT hatte ihre Partei schon Wochen vorher einen Plan für einen “D-Day” und eine “offene Feldschlacht” entworfen. Mit dem Ziel: aus der Koalition auszusteigen.
Dürr: Jeder musste sich auf verschiedene Szenarien vorbereiten. Ich kannte dieses Papier nicht. Da ging es um ein mögliches Scheitern genauso wie um denkbare Kompromisse. Es würde niemand sagen, dass das Wording kein Fehler war – es war damit sehr einfach, uns zu unterstellen, dass es uns nicht um die Sache ging. Ich kann Ihnen aber versichern: Ich habe keine Spielchen gespielt, sondern eine tonnenschwere Verantwortung auf meinen Schultern gespürt.
Frage: Als es vorbei war: Sind Sie am nächsten Morgen erleichtert aufgewacht?
Dürr: Ich war erleichtert, einerseits, denn dieser monatelange Stillstand war eine Qual. Andererseits war mir natürlich klar: Ab jetzt haben wir all die Besitzstandswahrer zum Gegner. Gemeint sind SPD und Grüne, aber auch die Union. Mir war bewusst: Das wird sehr, sehr hart.
Frage: Was bereuen Sie? Vielleicht, nicht doch länger durchgehalten zu haben?
Dürr: Dass eine Koalition durchhält, ist noch kein Wert an sich. Wir wollten das Beste für das Land und die Menschen, für Jobs und Aufschwung. Da hat die Ampel zuletzt nichts zustande gebracht. Das ist meine Lehre aus den Regierungsjahren: Ich werde die FDP nie in eine Koalition führen, in der nicht echte Reformpolitik gemacht wird.
Frage: Von der “offenen Feldschlacht” ging es für die FDP ziemlich schnell in die außerparlamentarische Opposition: Ihre Partei ist im Februar aus dem Bundestag geflogen, fast alle Führungspersönlichkeiten sind abgetreten. Fragen Sie gelegentlich noch Christian Lindner um Rat?
Dürr: Im Vergleich zu anderen Parteivorsitzenden habe ich ein großes Glück: Mein Vorgänger erteilt mir öffentlich keine klugen Ratschläge.
Frage: Wer ist die FDP ohne Christian Lindner?
Dürr: Eine spannende Partei. Ich muss schmunzeln, wenn Politik so oft auf einzelne Charaktere reduziert wird. Ich glaube, Parteien müssen ein Angebot machen, dem die Menschen vertrauen. Und die Menschen fordern Veränderungen. Daher wollen wir die Partei der radikalen Mitte sein.
Frage: Gibt es nicht schon genügend Radikalinskis in der Politik?
Dürr: Sie denken jetzt an Extremismus an den politischen Rändern. Diese Extremisten nutzen die Probleme der Menschen, um sich politisch zu profilieren. Sie haben kein Interesse daran, sie zu lösen. Wir sind eine Partei der Mitte, die für radikale Veränderung steht, und wollen genau diese Probleme beseitigen. Das Wort Radikal kommt von Radix, also von der Wurzel her. Status quo, können Union, SPD und Grüne wunderbar. Es braucht eine Partei, die sagt: Wir können und wollen radikale Reformen.
Frage: Sind die Menschen nicht der ständigen Reformankündigungen müde? Christian Lindner forderte 2024 einen “Herbst der Entscheidungen”, Friedrich Merz 2025 einen “Herbst der Reformen”. Passiert ist wenig.
Dürr: Daran sieht man leider, wie schnell die aktuelle Regierung da gelandet ist, wo die Ampel nach dreieinhalb Jahren war. Und dass viele Schulden Reformen nicht ersetzen können. Ich bin überzeugt, wenn man den Mut hat, dann gelingen Reformen. Der Ampel fehlte mehrheitlich der Mut. Die neue Koalition hat diesen Mut leider auch nicht. Deshalb braucht es uns. Die FDP ist bereit, ins Risiko zu gehen, das hat sie mehrfach bewiesen. Und die Menschen im Land wollen, dass sich was verändert. Nehmen Sie die Rente: Was da gerade von Schwarz-Rot beschlossen wird, sind Leistungsausweitungen, die die junge Generation belasten und Jobs in Deutschland gefährden, weil die Kosten sozialversicherter Beschäftigung steigen. Deutschland hat in diesem Jahr eine Staatsquote von über 50 Prozent, im nächsten Jahr sind es 51 Prozent. Helmut Kohl hat mal gesagt: Ab 50 Prozent beginnt der Sozialismus. Damit wäre Friedrich Merz der erste sozialistische Bundeskanzler in Deutschland.
Frage: Die FDP setzt dagegen auf Aktien zur Finanzierung der Sozialversicherung. Viele Finanzexperten warnen gerade vor einem großen Börsencrash – ist der freie Kapitalmarkt wirklich der beste Ort für Renten?
Dürr: Friedrich Merz hat mal zur Aktienrente der FDP gesagt, das seien Hedgefonds-Methoden, da musste ich sehr lachen. Das Umlagesystem ist doch gescheitert, zumindest in seiner jetzigen Form. Nicht nur die Rente, auch die Krankenversicherungen sollten Kapitalrücklagen am Aktienmarkt bilden. Was wir heute über das Umlagesystem einzahlen, wird binnen weniger Wochen wieder ausgegeben. Nur ein Kapitalstock bringt echte Vorsorge, gerade für Zeiten, in denen die Konjunktur nicht läuft. Von wenigen Dellen abgesehen wächst die Weltwirtschaft konstant. Und sollte die Wirtschaft kollabieren, dann ist doch das Umlagesystem das erste, das in die Knie geht: Viele Arbeitslose heißt, weniger Einzahler und noch größere Schieflage. Andere Länder, wie Schweden, nutzen den Kapitalmarkt seit Jahrzehnten erfolgreich.
Frage: Das Versprechen von guten Renten oder einer guten Gesundheitsversorgung kann doch aber der Staat nicht allein an die aktuellen Börsenkurse auslagern.
Dürr: Es geht nicht um kurzfristige Börsenkurse, sondern langfristiges Wachstum. Das aktuelle System ist unsozial. Nehmen Sie die Rente: Ein Geringverdiener, der heute in die gesetzliche Rente einzahlt, wird auch bei Vollzeitarbeit in die Altersarmut fallen. Weil diese Menschen einfach gar nicht so viel einzahlen könnten, um über das in Schieflage geratene Umlagesystem eine auskömmliche Rente rauszubekommen. Wenn wir dieser Gruppe erlauben, mit ihren jetzigen gesetzlichen Rentenbeiträgen einen Kapitalstock aufzubauen, würden gerade Menschen mit kleinem Einkommen besonders profitieren.
Frage: Auch eine Aktienrente, wie sie die FDP in der Ampel wollte, bräuchte erst mal eine Anschubfinanzierung. Woher soll das Geld kommen?
Dürr: Wenn die Regierung auf ihre teuren Wahlversprechen und Mehrausgaben verzichten würde, wäre schon ein guter Teil bezahlt. Ich denke da zum Beispiel an die Mütterrente.
Frage: Verzichten könnte man auch auf teure Steuersenkungen etwa bei der Gastronomie, die auch die FDP fordert.
Dürr: Wir reden dort ja nicht von Ausgaben, sondern von zu hohen Einnahmen des Staates. Eine Steuersenkung in der Gastronomie wiederum halte ich für richtig, allein um den absurden Wildwuchs bei Steuertarifen, etwa in der Innen- oder Außengastronomie, zu beenden.
Frage: Nächste Alternative: Der Staat könnte die Gerechtigkeitslücken etwa bei der Erbschaftssteuer schließen. Da sind sie dagegen.
Dürr: Höhere Steuern sind das Letzte, was der Standort im Augenblick braucht. Die zentrale Frage ist doch, hat der Staat wirklich ein Problem auf der Einnahmeseite? Oder ist nicht eher das Problem, dass er das Geld vollkommen ineffizient ausgibt? Davon bin ich jedenfalls überzeugt: Der Staat hat zu viel Geld, das er durch seine Hände schleust. Übrigens nicht mit dem Ergebnis, dass die Menschen glücklicher macht. Die Staatsausgaben steigen und steigen, aber die Laune im Land wird immer schlechter.
Frage: Steuerpolitik hängt doch unmittelbar mit Gerechtigkeitsempfinden zusammen: Wer ein Haus erbt, wird sehr wahrscheinlich Steuern darauf zahlen, wer 300 erbt, gilt als Unternehmer und geht unter Umständen steuerfrei aus.
Dürr: Das Ungerechte an der Erbschaftssteuer ist: Sie besteuert die Substanz, nicht Gewinn oder Ertrag. Und in den meisten Fällen wird ja nicht ein Goldbarren vererbt, von dem der Staat einfach ein Stück abschmilzt, sondern investiertes Vermögen. Wenn man etwa ein Unternehmen, das von einer auf die nächste Generation übergeht, krass besteuert, macht das Deutschland nicht gerechter, sondern es gehen Jobs verloren. Ich möchte kein Volksvermögen, sondern ich will ein Volk von Vermögenden, von Menschen, die sich was aufbauen können.
Frage: Bleiben wir beim Beispiel Immobilien, nicht beim Familienunternehmen.
Dürr: In dem Mietshaus, das vererbt wird, wohnen doch Menschen, für die wird die Miete steigen. Die Erbschaftssteuer muss ja wieder reinkommen.… Ein großer Staat mit vielen Steuereinnahmen und hoher Belastung ist nicht der bessere Staat. Er muss sich vielmehr auf seine Kernaufgaben, wie etwa Bildung und Sicherheit, konzentrieren und dafür an anderer Stelle zurücknehmen.
Frage: Also folgt die neue FDP mehr der Lehre Javier Mileis als der sozialliberalen Politik des niederländischen Wahlsiegers D66?
Dürr: Wir sind weder Argentinien, noch die Niederlande. Und die FDP kopiert nicht, sie macht eigenständige Politik. Wir wollen einen schlankeren Staat, aber auch, die Lebenshaltungskosten der Menschen senken, so dass sie sich für die Zukunft ein Vermögen aufbauen können. Wir stehen für Marktwirtschaft und Bürgerrechte. Ist das jetzt mitfühlender Liberalismus oder Kettensäge? Ich überlasse Ihnen die Interpretation.
Frage: Die Ampel scheiterte vor einem Jahr, weil Olaf Scholz für wenige Milliarden Euro eine Ausnahme von der Schuldenbremse wollte, die FDP nicht. Der aktuellen Koalition fehlen bis zu 30 Milliarden in den kommenden Jahren. Würden Sie darauf wetten, dass diese Regierung ebenfalls am Streit ums Geld zerbricht?
Dürr: Ich wette nicht bei so ernsten Themen, das ist mir zu spielerisch. Die Regierung plant in den kommenden Jahren fast eine Billion Euro neue Schulden zu machen. Ich verstehe gar nicht, wie denen das Geld fehlen kann. Wenn diese Koalition keine Reformen zustande bringt, ist sie gescheitert, unabhängig davon, wie lange sie im Amt sein wird..“
Pressemeldung vom 3.11.25
Zu der Debatte um Rückführungen nach Syrien erklärt der FDP-Bundesvorsitzende Christian Dürr:
„Der chaotische Streit in der Union zeigt, dass CDU und CSU bei der Migrationspolitik in alten Denkmustern feststecken. Die CDU stellt den Bundeskanzler, den Außen- sowie den Innenminister. Statt also endlich ein modernes System zu schaffen, überbieten sich konservative Politiker darin, einfach nur weniger vom Falschen zu fordern.
Wir brauchen ein Umdenken und endlich ein klares, ehrliches und modernes Migrationsrecht: Menschen, die in Deutschland durch Leistung etwas beitragen und sich unabhängig etwas aufbauen wollen, müssen bei uns willkommen sein. Menschen, die nur in den Sozialstaat einwandern wollen und hier nicht arbeiten, dürfen bei uns keine Zukunft haben. Damit nur jene hierherkommen, die tatsächlich Schutz benötigen, müssen Asylanträge künftig außerhalb der EU geprüft werden. Wer weder arbeitet noch die Voraussetzungen für echten Schutz erfüllt, muss konsequent zurückgeführt werden – auch nach Syrien.“
Die außerordentliche Gemeinderatssitzung in der letzten Woche hat aus der Mitte des Gemeinderats einen mühsam verhandelten und ausgewogenen Kompromiss mit sich gebracht – ein klares Commitment zum Sparen im Jahr 2025, eine Härtefallregelung für besonders schwierige Fälle und einen Zeitplan, noch vor Jahresende für 2026 Klarheit für städtische Partner zu schaffen. Auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass der ein oder andere noch mitzieht, ist ein gutes Arbeitsklima zwischen den am Antrag beteiligten Fraktionen geschaffen worden. Nun geht es in vielen Kleingruppen in vielen Sitzungen um Maßnahmen für 2026. Strukturelle Veränderungen stehen an – wir stehen bereit. Tim Nusser
Heidelberg, 5. September 2025.
Die FDP Heidelberg nimmt die Entscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe zur Kenntnis und fordert einen klaren Kurswechsel in der städtischen Finanzpolitik. Das RP hat die Gesetzmäßigkeit des Doppelhaushalts 2025/26 bestätigt, zugleich jedoch die geplanten Kredit- und Verpflichtungsermächtigungen nicht genehmigt. Die Stadt muss deutlicher sparen, neue Verpflichtungen können derzeit nicht eingegangen werden; für Pflichtaufgaben ist der Fokus zu schärfen.
Karl Breer, Fraktionsvorsitzender der FDP/Freie-Wähler-Fraktion, erklärt: „Die Entscheidung des RP ist ein Weckruf: Wir leben über unseren Verhältnissen. Unsere Fraktion hat in den Verhandlungen die meisten Einsparvorschläge vorgelegt – und wir erwarten, dass weitere davon jetzt umgesetzt werden. Einschnitte bringen uns vielleicht endlich auf den Boden der Tatsachen zurück: städtische Strukturen, Beteiligungen und der Status quo gehören auf den Prüfstand. Unser Ziel bleibt klar: Handlungsfähigkeit sichern, Pflichtaufgaben zuverlässig erfüllen und begonnene Maßnahmen seriös zu Ende führen.“
Tim Nusser, FDP-Kreisvorsitzender, ergänzt: „Haushaltspolitik ist kein Selbstzweck, sondern die Voraussetzung dafür, dass Heidelberg auch morgen leistungsfähig bleibt. Wir müssen jeden Bereich auf Wirksamkeit, Priorität und Finanzierbarkeit prüfen. Kultur ist nur ein Beispiel: Pro Kopf geben wir rund 408 Euro aus, mehr als 200 % des Bundesdurchschnitts. Das ist kein Kulturkampf, sondern Ehrlichkeit: Wer Kultur dauerhaft stärken will, muss sie finanziell solide unterlegen. ‚Quo vadis, Heidelberg?‘ – Auf zu neuen, finanzierbaren Ufern, mit klaren Prioritäten und belastbaren Ergebnissen.“
Die FDP Heidelberg begrüßt, dass Verwaltung und Gemeinderat nun kurzfristig zusätzliche Konsolidierungsschritte beraten. Ein Einstellungsstopp ist bereits angeordnet; freiwillige Leistungen, Zuschüsse und das Investitionsprogramm müssen überprüft und – wo nötig – angepasst werden. Priorität haben Pflichtaufgaben und die Fertigstellung laufender Baumaßnahmen. Zu lange standen „Nice-to-have“ und Wohlfühlfaktoren im Vordergrund, während Wirtschaftlichkeit und die Nachhaltigkeit von Beschlüssen unter den Tisch fielen. Jetzt gilt: Wirtschaft mitdenken, entschlossen entbürokratisieren und Prioritäten schärfen – nur so kämpft sich Heidelberg aus dieser Lage zurück. Haushalt ordnen. Zukunft sichern.
…titelte die Rhein-Neckar-Zeitung nicht ganz zu Unrecht. Die Haushaltslage wird uns dazu zwingen, gemeinsam im Stadtrat unangenehme Entscheidungen zu treffen. In den kommenden Monaten werden viele Unkenrufe aus verschiedenen Seiten auf die Öffentlichkeit einprasseln. Als FDP/FWV werden wir konsequent einen Kurs der Mitte vertreten. Klar ist aber auch, dass wir uns keinesfalls ins eigene Fleisch schneiden dürfen. Den lokalen Wirtschaftsstandort dürfen wir bei allen Löchern an anderer Stelle nicht zusätzlich in ein ebensolches stürzen. Deswegen: Sinnvolles Sparen bedeutet fokussieren – ohne bessere Politik für den Standort Heidelberg wird das strukturelle Defizit nur größer.
Herzlichen Dank für Ihr Vertrauen und Ihre Unterstützung. Ich freue mich, gemeinsam mit Frank Beisel und Karl Breer in den nächsten fünf Jahren für eine bessere Stadtpolitik zu streiten. Ich bedanke mich bei Michael Eckert und Simone Schenk für ihr jahrelanges Wirken für uns Liberale. Wir stehen vor großen Herausforderungen: Der anstehende Doppelhaushalt – das sehen wir bei anderen Gemeinden – wird keiner, in dem wir den finanziellen Spielraum für ein „Wünsch Dir was“-Programm haben. Wir setzen uns ein für eine Politik, die rechnen kann. Investitionen müssen Vorrang haben, ob in Infrastruktur, Schulen oder eine digitalere Verwaltung. Denn Investitionen heute sparen Kosten morgen – und nach diesem Doppelhaushalt kommt der nächste.
Gehalten vom FDP-Fraktionsvorsitzenden Karl Breer in der Gemeinderatssitzung am 17.05.2023
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Prof. Würzner,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Jansen,
sehr geehrte Herren Bürgermeister,
sehr geehrter Herr Polivka,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Heidelberger Gemeinderates, meine Damen und Herren von der Presse, liebe Gäste,
am 20. April hat unser Oberbürgermeister Eckart Würzner, gemeinsam mit unserem Stadtkämmerer Wolfgang Polivka, den Entwurf der Stadtverwaltung für den Doppelhaushalt 2023/2024 vorgestellt. Ab dann hatten wir genau 18 Arbeitstage Zeit, uns als Stadträte mit diesen über 1.500 Seiten Haushaltsentwurf zu beschäftigen. 18 Arbeitstage, um der Stadtverwaltung Verständnisfragen zu stellen. 18 Tage, um mit Gruppierungen, Vereinen, Initiativen und Selbsthilfegruppen, die im Haushalt berücksichtigt worden waren, Gespräche zu führen.
18 Arbeitstage, um insbesondere auch die Einwendungen dieser Gruppierungen entgegenzunehmen, die nicht im Haushalt berücksichtigt worden waren.
Verschärfend kam noch hinzu, dass in unserer Fraktion alle Fraktionsmitglieder noch in Vollzeit berufstätig sind. Somit mussten diese haushaltsspezifischen Aufgaben außerhalb des normalen Arbeitstages bewältigt werden. Uns war von vornherein klar, dass diese Herkulesaufgabe in diesem viel zu geringen Zeitraum nicht zu schaffen war.
Daher wandten wir uns z.B. mit unserem Stadtblattartikel mit der Überschrift „Sparfüchse gesucht“ an die Heidelberger Bevölkerung und baten um Unterstützung. Über unsere Social Media Kanäle baten wir insbesondere junge Menschen um Hilfe. Wir waren überrascht, wie viele Rückmeldungen wir bekamen. Besonders gefreut hat uns, dass hierunter viele junge Heidelbergerinnen und Heidelberger waren. Weniger überrascht hat uns, dass es sich bei diesen Vorschlägen in erster Linie um Ideen handelte, wie noch mehr Geld an Heidelberger Projekte, Vereine etc. verteilt werden könnte. Denn natürlich ist es viel einfacher und leichter Geschenke an Menschen zu verteilen, als ihnen Zuwendungen wegzunehmen.
Aber es gab auch fundierte Einsparvorschläge, insbesondere von der jüngeren Generation, was ebenfalls wenig überrascht, da es diese Generation ist die den Schuldenberg, den wir heute anhäufen, später einmal zurückzahlen muss. Dieser Schuldenberg ist gewaltig. Denn wenn wir den Haushaltsentwurf ohne Änderungen verabschieden würden, bedeutete dies, dass wir 100 Mio. Euro neue Schulden machen würden.
In der Summe kämen wir Ende 2024 auf einen Schuldenstand von 308 Mio 500 Tsd. Euro. Und das ist nur unser kommunaler Schuldenberg, wobei dies eher ein kleines Hügelchen ist, wenn man den Schuldenstand des Landes Baden-Württemberg und der Bundesrepublik Deutschland vergleichend betrachtet. Da ist nachvollziehbar, dass sich insbesondere junge Menschen Gedanken darüber machen, wie viel finanzieller Spielraum noch bleibt, wenn diese Schulden zurückgezahlt werden müssen.
„Wir müssen uns jetzt auf eine neue finanzpolitische Realität einstellen, in der zusätzliche Aufgaben nicht mit frischem Geld, sondern mit klaren politischen Prioritäten angegangen werden müssen. Anders wird es nicht gehen.“
Dieses Zitat kommt, man höre und staune, vom Grünen Finanzminister Danyal Bayaz, angesichts der wegbrechenden Steuereinnahmen des Landes Baden-Württemberg in den ersten 4 Monaten des laufenden Jahres. Brutto wurden insgesamt 1,5 Mrd. Euro weniger an Steuern eingenommen, als eingeplant.
Wenig erfreulich ist auch die aktuelle Mai Steuerschätzung des Landes. Diese hochaktuelle Schätzung kommt im Vergleich zur letzten Steuerschätzung vom Herbst 2022 auf Mindereinnahmen von insgesamt 423 Mio. Euro, die dem Land somit im Doppelhaushalt 2023/2024 fehlen.
Es wäre illusorisch anzunehmen, dass dies nicht auch Konsequenzen für den Haushalt der Stadt Heidelberg haben wird. Aus diesem Grunde hat die FDP Fraktion sich bei ihren Änderungsanträgen auf Einsparungen konzentriert. Lediglich 6 unserer 19 Änderungsanträge führen zu Mehrausgaben. Im Vergleich zu den vorgeschlagenen Einsparungen handelt es sich hierbei aber lediglich um eine homöopathische Dosis. Unter dem Strich bedeuten unsere Änderungsvorschläge eine Einsparung von über 10 Mio. Euro pro Jahr für den städtischen Haushalt, insgesamt also immerhin über 20 Mio. Euro für diesen Doppelhaushalt.
Es gibt Gruppierungen im Heidelberger Gemeinderat, die mit Wonne das Füllhorn über Projekte ihrer politischen Fangemeinde ausschütten. Die FDP Fraktion sieht sich dagegen als Vertreterin der Menschen, die diese Einnahmen generieren. Denn diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, diese Unternehmerinnen und Unternehmer sowie die vielen Selbständigen, die diese Steuern und Abgaben entrichten, haben selten Zeit sich politisch so zu engagieren, dass auch ihre Anliegen in diesem Gemeinderat die Berücksichtigung finden, die sie verdient hätte.
Als Konsequenz daraus haben wir alle geplanten Ausgaben der Stadt auf den Prüfstand gestellt. Was gehört tatsächlich zu den Pflichtaufgaben einer Stadt und bei welchen Ausgaben handelt es sich eher um eine Kür?
Nun aber „Butter bei die Fische“ wie der Norddeutsche sagt, kommen wir also zu unseren konkreten Vorschlägen:
TH 13 – Öffentlichkeitsarbeit
Hier wird die sehr wichtige Aufgabe erledigt, die Heidelberger Bevölkerung auf dem Laufenden zu halten und wichtige Informationen zu vermitteln. Dies geschieht u.a. durch das Stadtblatt und im Gegensatz zu anderen Gruppierungen möchten wir dies auch als Printformat erhalten. Denn gerade ältere Einwohner unserer Stadt erhalten zum Teil nur über das Stadtblatt in ihrem Briefkasten diese wichtigen Informationen. Ferner ist die digitale Welt zu bespielen, d.h. die Homepage der Stadt sowie die sozialen Netze. Daher verstehen wir sehr gut, dass das Aufgabengebiet dieses Amtes wächst. Die Frage ist nur, ob hierfür zweieinhalb neue Mitarbeiter eingestellt werden müssen und ob hier nicht eine oder anderthalb Mitarbeiter reichen würden und stattdessen eher Aufgabenspitzen an externe Grafikerbüros und Werbeagenturen vergeben werden könnten.
In Anbetracht wegbrechender Einnahmen möchten wir nämlich die Personalfixkosten möglichst gering halten und stattdessen lieber hin und wieder bestimmte Tätigkeiten outsourcen.
TH 16 – Amt für Chancengleichheit
Youth Think Tank 70.000 €
Es gibt den Jugendgemeinderat, das Büro Junges Heidelberg und den Ring politischer Jugend, daher sehen wir keine Notwendigkeit, hier weitere Strukturen aufzubauen und diese durch die Stadt zu finanzieren.
TH 31– Amt für Umweltschutz
Hier werfen wir die Frage auf ob es tatsächlich nötig ist, die Umweltberatung durch Dritte in bisherigem Umfang durchführen zu lassen und ob dies nicht durch das Amt selber geleistet werden könnte.
TH 41 – Kulturamt
Hier werden zum Teil Projekte gefördert, die früher für die Heidelberger Kulturlandschaft sicherlich noch Bedeutung hatten, aber mittlerweile etwas in die Jahre gekommen sind. Um Platz für Neues zu schaffen, für Projekte, die dem Zeitgeist der Heidelberger Bevölkerung, insbesondere der jungen Menschen in Heidelberg mehr entspricht, gibt es daher Projekte, deren finanzielle Förderung wir einstellen möchten, bzw. reduzieren oder zumindest einfrieren. Hierzu gehört beispielsweise das Projekt Zungenschlag, für welches in den städtischen Haushalt ca. 57.000 € eingestellt wurden, ohne dass überhaupt ein Antrag hierfür gestellt wurde. Dieses Geld würden wir viel lieber für eine Steigerung der Zuschüsse an Metropolink verwenden. Denn die Projekte von Metropolink, insbesondere auch die Kunst in öffentlichen Bereichen, zieht vor allem ein junges Publikum nach Heidelberg und unterstützt somit in erheblichem Umfang das Marketing für unsere Stadt. Denn als jüngste Stadt Deutschlands sollten wir auch Projekte fördern, die junge Menschen als Zielgruppe fokussieren.
Aber ein „Old School Project“ möchten wir endlich auch mit Fördermitteln bedenken und zwar würden wir gerne die Heidelberger Sinfoniker, die mit ihrer klassischen Musik Werbung für Heidelberg machen, mit 10.000 € fördern. Insbesondere weil die Heidelberger Sinfoniker nun auch ihre Spielstätte in Heidelberg haben.
Das vorgeschlagene Einfrieren von Fördermitteln für einige Projekte auf dem Vorjahresniveau möchten wir auch als Signal verstanden wissen, die Akquisition von Spendengeldern und Sponsoren zu forcieren. Ohne einen solchen Einsatz für zusätzliche finanzielle Mittel aus dem Kreis privater Förderer oder von Seiten der Wirtschaft, werden ansonsten einige Projekte bei weiter schrumpfenden Steuereinnahmen nicht überlebensfähig sein. Ein solches Einwerben von Geldern macht natürlich Mühe, aber wenn wir solche Aktivitäten sogar von unseren Leuchtturmprojekten, wie dem Heidelberger Frühling oder Enjoy Jazz verlangen, sollte dies auch für andere Projekte möglich sein.
Ein solches Vorgehen fördert zudem die Kommunikation zwischen der Kultur auf der einen Seite und den Bürgerinnen und Bürgern bzw. den Wirtschaftsunternehmen auf der anderen Seite. Hierdurch entstehen gar nicht selten langjährige Mitgliedschaften bzw. Partnerschaften, die für beide Seiten gewinnbringend sind.
TH 81 – Amt für Mobilität
In diesem Amt sollen 20 neue Stellen geschaffen werden, d.h. ein Zuwachs der Personalstärke von 88 auf 108 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es liegt auf der Hand, dass die Aufgaben für dieses Amt bei einer Stadt, die nach wie vor wächst, ebenfalls wachsen. Daher können wir uns auch gut einen Stellenzuwachs um 10 weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorstellen. Das grundsätzliche Problem, warum verschiedene Projekte in diesem Amt so lange dauern und viele Bürger sich über mangelnde Kommunikation mit diesem Amt beklagen, liegt aber in der Organisationsstruktur. Statt viele neue Stellen an der Basis zu schaffen, sollte mehr Verantwortung an die Abteilungsleiterebene delegiert werden. Kein Unternehmen ist heutzutage überlebensfähig, wenn alle Entscheidungen noch vom Chef abgesegnet werden müssen, denn Schnelligkeit ist im Wirtschaftsleben zum wichtigsten Kriterium geworden. Daher geben Geschäftsführer in erster Linie Strategie und Ziele vor und lassen dann ihren mittleren Führungskräften freie Hand, bis zur Erledigung des Auftrages.
So sollte auch in einer modernen öffentlichen Verwaltung gearbeitet werden.
Kontrolle ist gut, aber Vertrauen geht schneller!
Das größte Einsparvolumen sehen wir beim Amt 81 allerdings im Bereich des vergünstigten ÖPNV. Mittlerweile wurden durch die Einführung des 49 € Deutschlandtickets neue Voraussetzungen geschaffen. Die weitaus meisten Bürgerinnen und Bürger Heidelbergs werden sich ein solches Ticket leisten können. Daher sollten bei der Übernahme von Kosten für den Öffentlichen Nahverkehr nur wirklich bedürftige Personen und Familien unterstützt werden. Eine Förderung mit der Gießkanne macht hier wenig Sinn.
Einen kleinen Teil des hier eingesparten Geldes würden wir gerne für mehr Moonliner-Fahrten ausgeben. Hiermit unterstützen wir eine Forderung des Jugendgemeinderates. Von Donnerstag bis Sonntag sollten auch nach 1:00 Uhr Moonliner fahren. Der Schutz unserer Jugendlichen sollte uns diese Investition wert sein.
Nachdem wir so viel Geld eingespart haben, möchten wir zum Abschluss noch etwas Geld ausgeben. Wir begrüßen die Zielrichtung, unsere Stadtteile weiter aufzuwerten und hierfür etwas Geld zur Verfügung zu stellen.
Wer von uns schon einmal Urlaub im Süden gemacht hat, wird insbesondere in Italien, aber auch in Spanien und Frankreich die Erfahrung gemacht haben, dass dort die zentralen Plätze in den Stadtteilen Dreh- und Angelpunkt des gesellschaftlichen Lebens sind. Die Südeuropäer bekommen es einfach hin ihre Plätze so zu gestalten, dass sie von der Bevölkerung liebend gerne genutzt werden. Insbesondere die Mischung von öffentlichen Flächen und gastronomisch genutzten Flächen ist dort vorbildlich. Wenn man sich dagegen die meisten Plätze in Deutschland anschaut kommt man zu der Einsicht, dass wir nicht nur beim European Song Contest versagen sondern auch bei der Gestaltung von zentralen Plätzen. Um den European Song Contest kann sich gerne mal die Pop Akademie in Mannheim kümmern, aber die Verschönerung unserer Plätze in Heidelberg sollten wir schnellstmöglich angehen. Beginnen möchten wir gerne mit der Verbesserung der baulichen Situation des Wilhelmsplatzes als zentralen Kommunikationsort des Stadtteiles. Hierfür möchten wir als ersten Schritt 60.000 € zur Planung der Gestaltung einstellen.
Ein weiteres Projekt, welches uns sehr am Herzen liegt, ist die Erhöhung des Anteils an Schulsozialarbeitern an den beruflichen Schulen. Dort hat sich die Situation in den letzten 2 Jahren dramatisch verändert. Davor besuchten unsere berufsbildenden Schulen hauptsächlich Jugendliche, die eine duale Ausbildung in Heidelberger Unternehmen absolvierten. Durch die vielen Flüchtlinge, u.a. aus der Ukraine, sind dort aber jetzt verstärkt berufsvorbereitende Klassen entstanden, die täglich unterrichtet werden. Diese Klassen erfordern einen sehr hohen Betreuungsaufwand und daher ist es nicht einzusehen, dass die beruflichen Schulen weiterhin wesentlich schlechter gestellt werden, als die Realschulen und die Gymnasien in Heidelberg. Der Ausbau der Schulsozialarbeit sollte somit an den beruflichen Schulen in exakt dem gleichen Umfang erfolgen, wie an den anderen öffentlichen Schulen.
Noch ein Wort zum Investitionshaushalt:
Wir wissen, dass noch nie so viel Geld in die Renovierung der Heidelberger Schulen investiert wurde, wie in den letzten 2 Jahren. Aber wir sollten auf diesem Gebiet nicht nachlassen, sondern die augenblicklich sehr günstigen Rahmenbedingungen nutzen. Die Baukonjunktur ist seit den mehrfachen Zinserhöhungen durch die Zentralbank eingebrochen. Viele Baufirmen suchen bereits wieder nach Aufträgen, insbesondere im Rohbau sinken die Angebotspreise deutlich. Auch Baumaterial ist wieder in ausreichendem Umfang erhältlich. Daher sollten wir Investitionen in die Modernisierung unserer Schulen, wie z.B. eine Modernisierung der Sporthalle des Bunsen-Gymnasiums, vorziehen. Insbesondere hier gibt es noch einen weiteren Grund, denn die Betonsäulen in der Sporthalle stellen auch eine Gefahrenquelle für die dort sportlich aktiven Schülerinnen und Schüler dar.
Außerdem weiß jeder, der sich in der Baubranche auskennt, dass eine Renovierung um so teurer wird, je länger man damit wartet. Da dies auch eine wichtige Investition in die Zukunft unserer Kinder ist, scheuen wir in diesem Bereich ausnahmsweise nicht vor Schulden zurück.
Wie bereits erwähnt, konnten aufgrund der viel zu kurzen Frist zwischen der Vorstellung des Haushaltentwurfes bis zum heutigen Termin für die Einbringung der Änderungsanträge nicht alle Punkte abschließend behandelt werden. Bei weiteren möglichen Einsparungen fragen wir uns beispielsweise, ob Heidelberg tatsächlich Trinkbrunnen benötigt, die selbstverständlich auch Folgekosten für Wartung, Instandhaltung und Pflege nach sich ziehen würden.
Bei weiteren möglichen Ausgaben ist es uns beispielsweise sehr wichtig, das Zimmertheater finanziell bei den Umzugskosten zu unterstützen. Auch eine mögliche materielle Hilfe für Hebammen ist noch nicht abschließend geklärt. Hier bitten wir noch um eine Einschätzung, wie teuer die Einführung eines kostenlosen Parkausweises bzw. eines Nahverkehrstickets für freiberufliche Hebammen wäre. Allerdings gebe ich zu, dass ich in diesem Punkt gerade ein wenig befangen bin. Als frisch gebackener Opa wurde mir gerade wieder vor Augen geführt, wie wichtig diese engagierte Berufsgruppe für uns alle ist.
Absolute Priorität bei den Investitionskosten hat darüber hinaus das 2. Ausbildungshaus, da die Nachfrage nach zusätzlichen Unterbringungsmöglichkeiten für Auszubildende noch einmal deutlich gestiegen ist. Sollten hier also weitere finanzielle Zuwendungen nötig sein, unterstützen wir dies in vollem Umfang.
Ich möchte schließen mit einem herzlichen Dankeschön an die Kämmerei und die städtische Verwaltung für die viele, viele Arbeit, die sie wiederum in die sehr detaillierte und dennoch übersichtliche Aufbereitung des städtischen Haushalts investiert haben.
Ein ganz besonderer Dank gilt gerade in diesem Jahr auch meiner Fraktion und ganz besonders auch unseren Fraktionsmitarbeitern für die tolle Unterstützung, insbesondere die Nachtschichten, die diesmal notwendig waren.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Karl Breer
FDP Fraktionsvorsitzender
Schlagwortarchiv für: Haushalt
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